Digitalisierung und Automatisierung verändern das Aufgabenprofil des Personalarbeiters. Überflüssig wird er dadurch jedoch nicht.
Personalarbeit neu denken – das heißt nicht nur, noch schneller werden, denn der Effizienz und der Geschwindigkeit sind Grenzen gesetzt. Personalarbeit neu denken heißt insbesondere, neue Ansätze zu wählen, Prozessbeteiligte stärker einzubinden. Wurden in der Vergangenheit die Prozesse an sich fokussiert, so wird künftig „Human-centric“ im Mittelpunkt stehen. Alles digitalisiert – unter Beachtung aller Datenschutzbelange(1). Für die Erstellung des Arbeitszeugnisses heißt das konkret, HR muss sich den Führungskräften mehr öffnen und diese neu im HR-Prozess positionieren.
1. Das Arbeitszeugnis heute
Egal ob manuell oder halbautomatisch erstellt, das Arbeitszeugnis ist das „ungeliebte Kind“ eines jeden Personalers, denn es wird als zeitaufwendige und ressourcenintensive Last empfunden, der wir gem. § 630 BGB in Verbindung mit § 109 GewO (Gewerbeordnung) nachkommen müssen (Österreich §1163 ABGB, §39 AngG; Schweiz Art. 330a OR).
Umso mehr, weil wir gerade beim Austrittszeugnis für das Unternehmen gar keinen Mehrwert mehr haben – der Mitarbeiter verlässt uns ohnehin. Schon deshalb lohnt es sich, den Prozess so schlank und unaufwendig wie nur irgend möglich zu gestalten. Dabei ist der Prozess – unabhängig in welchem Automatisierungsgrad dieser sich befindet – immer gleich.
2. Die (neue) Rolle der Führungskräfte
Schon immer musste die Führungskraft die eigentliche Bewertung vornehmen und schon immer war das die Basis und der Kern für ein qualifiziertes Zeugnis. Alles andere ist im Unternehmen bekannt und wird aus den unterschiedlichsten Quellen gespeist.
Wie eine solche Bewertung durch die Führungskraft vorgenommen wird, ist in Unternehmen noch sehr unterschiedlich: vom Ausfüllen eines Bewertungsbogens in Papier (vorgestern) über das Ausfüllen eines digitalen Dokuments (gestern) bis hin zur Notenvergabe in einem Zeugnistool (heute) ist alles anzutreffen. Gut und effizient ist es, wenn die Führungskraft das auf einer übersichtlichen, klaren Oberfläche mittels Schieberegler ganz einfach erledigen kann – und das möglichst gleich auf dem mobilen Endgerät: kurz und knapp (s. Abb. 2).(2) Die Bewertung des Mitarbeiters wird nicht besser durch komplizierte Prozesse.
Wenn aber die Führungskraft eine solch entscheidende Rolle im Zeugnisprozess spielt und wenn sie die Verantwortung der qualifizierten Bewertung hat, warum sollte sie nicht gleich der Prozesstreiber sein? Alles andere kann automatisch zugespielt werden: die persönlichen Daten des zu Bewertenden, das kurze Unternehmensprofil, das Tätigkeitsgebiet, selbst die Unterschriftenzeile (s. Abb. 3).
3. Die Verantwortung der Personalorganisation
Wird damit der Personaler überflüssig? Natürlich nicht, er bekommt neue, andere Aufgaben, die der Arbeitswelt 4.0 entsprechen: War er früher damit beschäftigt, die Bewertung der Führungskraft in gängige Zeugnis-Formulierungen zu „übersetzen“ und die anderen Informationen (persönliche Daten, Unternehmensprofil, Tätigkeit) zu sammeln und zu verarbeiten, um damit das Zeugnis „schreiben“ zu können, so wird das heute meist in Shared-Service-Centern übernommen, die oftmals im Nearshoring ausgelagert sind – also oftmals auch über keine muttersprachlichen Deutschkenntnisse verfügen.
Wie viel effizienter wäre es, wenn all diese mühsame Sammel- und Formulierungstätigkeit automatisiert – und damit ohne den Personaler – erfolgen könnte? Die persönlichen Daten sind im Personalabrechnungssystem hinterlegt, das Firmenprofil sowie das Tätigkeitsfeld sind in einer Datenbank hinterlegt, die mittels Schieberegler von der Führungskraft erfolgte Bewertung wird automatisch in juristisch geprüfte Zeugnisformulierung „übersetzt“, die Unterschriftszeile durch die Unterschriftsregelung definiert (s. Abb. 3). Wenn dann noch ein solches Zeugnistool – das es vereinzelt bereits am Markt gibt – mittels besonderer Algorithmen es schafft, aus den einzelnen Textbausteinen einen flüssigen Text zu generieren, dann ist das Ziel erreicht: ein fundiertes, flüssig zu lesendes Zeugnis in 15 Sekunden.(3)
Aber was sind die neuen Aufgaben des Personalers?
Er bleibt der Prozess-Owner für den Prozess, der künftig nicht mehr manuell, sondern digitalisiert gestaltet ist. Aber auch hier gilt: der Prozessablauf, die Prozessbeteiligten und der Prozessinhalt müssen klar definiert sein und regelmäßig auf Aktualität überprüft werden. Diese Verantwortung für den Personaler entfällt auch nicht dadurch, dass man ein Softwareprodukt im Einsatz hat. Durch die Auswahl des richtigen Softwareproduktes kann man aber getrost diese Verantwortung schultern.
Auf welche Punkte bei der Auswahl zu achten ist:
Checkliste Anbieter
Wie erkennen Sie einen guten Anbieter elektronischer Zeugniserstellung?
• Integrierbarkeit in bestehende Verfahrenslandschaft
• Leicht handhabbare Oberflächen
• Volle Workflow
• Integrierbarkeit insbesondere mit Einbindung der Führungskräfte
• Juristisch geprüfte Textbausteine, die regelmäßig an die Rechtsprechung angepasst werden
• Algorithmen, die gewährleisten, dass sich die Textbausteine flüssig lesen lassen
• Referenzen (Kundengröße, Kundenbranche)
• Preis-/Leistungsverhältnis
Darüber hinaus übernimmt der Personaler klassische Management-Aufgaben: Zum einen das Monitoring: Als Prozess-Owner ist man in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Prozess reibungslos abläuft und nicht an irgendeiner Stelle hakt. Aber auch das geht in einem digitalen Prozess einfach, denn es herrscht über die einzelnen Prozessschritte immer Transparenz, die oftmals über ein Ampelsystem visualisiert wird.
Zum anderen ist der Personaler – wie jeder andere Manager auch – für das Troubleshooting verantwortlich: Läuft der Prozess nicht reibungslos ab, muss der Personaler eingreifen – bei der Führungskraft oder dem Unterschriftsberechtigten, wenn es dort hakt, oder aber in der Prozessdefinition, wenn der Prozess als solches nicht rund läuft. Und er bleibt die Ansprechperson, wenn es zu einem der seltenen und nicht wünschenswerten Fälle kommt, dass ein Zeugnis vor dem Arbeitsgericht landet.
4. Ausblick: Das Arbeitszeugnis von morgen
Über eines haben wir bisher beredt geschwiegen – und das zeigt den Anachronismus, in dem wir uns befinden: Das Zeugnis bedarf gem. § 630 BGB der Schriftform und muss daher am Ende ausgedruckt und manuell unterschrieben werden. Dieser Teil ist freilich nicht mehr innerhalb der gesetzten 15 Sekunden zu schaffen. Die ansonsten rechtlich zulässige – weil gleichwertige – Alternative, das Zeugnis mit einer qualifizierten digitalen Signatur digital auszureichen, bleibt explizit ausgeschlossen.
Trotzdem besteht die Hoffnung, dass in Zukunft hier das Papier nicht mehr als (veralteter) Datenträger fungieren muss und neue technologische Ansätze – wie beispielsweise die Signierfunktion der neuen Personalausweise – das Papierdokument ersetzen könnten.(4) Dann wäre ein Arbeitszeugnis tatsächlich in 15 Sekunden zu schaffen!
Quellen:
(1) Grentzer, M. (2010): Wie sicher sind Personalakten? Sieben Grundsätze zum Datenschutz. In: Lohn+Gehalt März 2010, S. 76-78.
(2) Jänicke, U. (2017): Die digitale Personalakte des New-Work-Zeitalters. In: HR Performance 2/2017, S. 16-17.
(3) Grentzer, M.; Jänicke, U. (2018 in Vorbereitung): Zeugnis in 15 Sekunden – Ein Paradigmenwechsel in HR. In: Jäger, W.; Petry, T. (Hrsg.): Digital HR, Freiburg: Haufe
(4) Grentzer, M. (2016): Die Welt von morgen – glücklich im papierlosen Büro. In: Prieß, A. (Hrsg.): Schlüsselfaktor Strategisches Personalmanagement, Freiburg: Haufe, S. 122-137.