Vielfalt fördert Kreativität und Innovation und erhöht die Arbeitgeberattraktivität. Doch es gibt auch Hürden, die es zu überwinden gilt.
Vielfalt ist heute kein Nischenthema mehr – nicht in der Politik und schon gar nicht in der heutigen Arbeitswelt. Schon immer zeichneten sich moderne Gesellschaften durch Vielfalt aus.
Doch der Blick auf die heutige Arbeitswelt zeigt: Vielfalt ist eine Entwicklung, an der kein Unternehmen in der heutigen Zeit vorbeikommt. Bis zu vier Generationen arbeiten schon heute in deutschen Betrieben zusammen. Der Anteil von erwerbstätigen Frauen steigt kontinuierlich. Immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund leben und arbeiten in Deutschland.
Vielfalt entsteht im Unternehmen nicht allein durch die Einführung einer Frauenquote.
Hinzu kommen die Trends der Globalisierung, der Digitalisierung und der technologischen Entwicklung. Unternehmen stehen heutzutage angesichts dieser äußeren Veränderungen unter einem zunehmenden Anpassungsdruck. Sie müssen sich verstärkt mit dieser wachsenden Vielfalt auf dem Arbeits- und Wirtschaftsmarkt auseinandersetzen. Ihr Erfolg hängt davon ab, wie sie sich in globalisierten Wirtschaftsströmen und im Wettbewerb um qualifiziertes Personal positionieren können. Diversity-Management hilft, auf all diese Trends zu reagieren. Mehr noch: Es zeigt Wege auf, sie zu nutzen.
Denn gerade in der Vielfalt innerhalb und außerhalb von Unternehmen liegt eine enorme wirtschaftliche Kraft: Beschäftigte bringen verschiedene Fähigkeiten und Talente ein und ermöglichen innovative Lösungen. So können Unternehmen beispielsweise durch unterschiedliche Sprach- und Kulturkenntnisse ihrer Belegschaft neue Märkte erschließen. Auch unterschiedliche Herangehensweisen divers zusammengesetzter Teams eröffnen für Unternehmen neue Horizonte. Vielfältige Ideen, Perspektiven und Lebensentwürfe in allen Bereichen des Unternehmens lassen sich nutzen, um die Produktvielfalt zu erhöhen, um neue Lösungsmöglichkeiten zu finden oder um die Bereiche von Forschung und Entwicklung zu beflügeln.
Diversity – ein Zukunftsprogramm mit klaren Vorteilen
Diese These bestätigen auch die Befragungsergebnisse einer aktuellen Studie der Unternehmensinitiative Charta der Vielfalt e. V. und der Ernst & Young GmbH. Dort sind sich 75 Prozent der interviewten Unternehmen einig: Diversity ist ein wichtiges Instrument, um Offenheit und Lernfähigkeit der Organisation sicherzustellen. Sogar 77 Prozent denken, dass Vielfalt die Innovation und Kreativität fördere, dicht gefolgt von 75 Prozent, die angeben, dass Diversity es ermögliche, auf gesellschaftlichen Wandel zu reagieren. (Siehe Grafik.)
Nicht zuletzt macht Diversity-Management Unternehmen auch zu attraktiven Arbeitgebern – und damit interessant für Talente und Fachkräfte. Es hilft, eine offene Unternehmenskultur zu etablieren, die für potenzielle sowie für bestehende Beschäftigte attraktiv ist und sie an das Unternehmen bindet. Bekennt sich ein Arbeitgeber zu Vielfalt und setzt sich für den Schutz freiheitlicher Werte wie Toleranz, Fairness und Respekt ein, trägt dies zu einem positiven Firmenimage bei. Auch hier stimmt die Mehrheit der Befragten aus der oben erwähnten Studie zu. 71 Prozent geben an, dass sie in der Attraktivität als Arbeitgeber einen zentralen Vorteil von Diversity im Unternehmen sehen. Gleiches gilt für die Erfolge in der Mitarbeiterbindung.
Gelingt es Unternehmen und Institutionen also, die soziokulturelle Verschiedenheit in ihrer Organisation abzubilden, zu pflegen und wertzuschätzen, so gewinnen sie mehrfach. Diversity-Management bedeutet damit sowohl Zukunftsvorsorge als auch Zukunftssicherung.
Gelebte Vielfalt braucht Strategie
Doch wie geht konkret die Umsetzung – vor allem in Großunternehmen? Diversity steht für die gelebte Vielfalt aller Menschen in einer Organisation. Deren Förderung geschieht allerdings nicht allein durch die Einführung einer Frauenquote oder dadurch, dass Teams möglichst vielfältig in Bezug auf ihre Fähigkeiten, Voraussetzungen, Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale zusammengestellt werden. Ein strategisches Diversity-Management greift vielmehr vielfältige Themen auf und setzt an vielen unterschiedlichen Punkten an.
Wie alle Veränderungen kann auch Diversity-Management viele bewusste und unbewusste Ängste hervorrufen.
Es ist ein differenziertes Konzept, anhand dessen der Umgang mit Vielfalt zielorientiert geplant und gesteuert werden kann. Es enthält konkrete Strategien, Maßnahmen und Instrumente, welche unternehmerische Werte und Überzeugungen klar formulieren und sie institutionell verankern. Seine Einführung und Umsetzung folgen einem klaren Plan mit übergeordneten Leitfragen. Dabei wählt jede Organisation ihren individuellen Weg bei der Einführung von Diversity-Management. Sie ist abhängig davon, ob schon Strategien zur Förderung von Chancengleichheit und Vielfalt existieren und welche Ressourcen zur Verfügung stehen.
Doch wie alle Veränderungen kann auch Diversity-Management viele bewusste und unbewusste Ängste wecken und offene oder verdeckte Widerstände hervorrufen. Mit der Einführung eines Diversity-Managements geht ein Kulturwandel einher, der mitunter Hierarchien, langjährige Gewohnheiten und Statusprivilegien hinterfragt. Daher müssen die Beschäftigten aktiv für den Prozess gewonnen werden. Elementar ist dafür die Unterstützung durch das Topmanagement.
Diversity ist mehr als Mann und Frau und das Management von Minderheiten
Diversity-Management ist kein Minderheitenprogramm. Es geht um die zielgerichtete Einbindung von Vielfalt auf allen Ebenen. Nicht die Defizite, sondern die Potenziale des Einzelnen sollen im Vordergrund stehen. Dies erfordert ein Umdenken im Betrieb. Damit betrifft es auch die Beschäftigtengruppen, die sich nicht zu Minderheiten zählen und sich eventuell daher nicht durch das Thema angesprochen fühlen. Gerade diese Mehrheit im Unternehmen ist entscheidend für den Erfolg der Strategie. Diversity-Management ist somit das Management eines Kulturwandels im Unternehmen. Es ist ein Veränderungsprozess, der beim Abbau von Hürden für bestimmte Gruppen beginnen kann und in einer bewussten Einbindung von Vielfalt auf allen Ebenen des Unternehmens mündet. Dies ist kein einfacher Prozess, der irgendwann sein Ende findet. Vielmehr geht es um eine kontinuierliche Überprüfung der gesamten Organisationsstruktur und der Prozesse.
Diversity-Management: Gesamtkonzept | |||
Diversity-Management besteht üblicherweise aus einem Bündel an Maßnahmen, welches individuell auf die Unternehmenssituation zugeschnitten ist. Die häufigsten Maßnahmen sind: | |||
• | Demografiekonzept | • | Maßnahmen für Menschen mit unterschiedlicher sozialer Herkunft |
• | Gender-Mainstreaming | ||
• | Work-Life-Balance | • | Aktionsplan sexuelle Orientierung und Identität |
• | Inklusion von Menschen mit Behinderungen | ||
• | Interkulturelle Öffnung | • | Runder Tisch religiös-weltanschauliche Vielfalt |
Die Vielfalt der Belegschaft ist ein Gewinn
Eines ist aber klar: Der Aufwand lohnt sich. Wer sich als Unternehmen zukunftssicher aufstellen möchte, für den wird Diversity-Management zum Pflichtprogramm. Denn nur wer Vielfalt im eigenen Unternehmen anerkennt und sich selbst vielfältig aufstellt, kann auf immer vielfältiger werdende Märkte im In- und Ausland reagieren und sich der sich wandelnden Arbeitswelt stellen. Wer erfolgreich sein möchte, kann es sich nicht mehr erlauben, Vielfalt zu ignorieren. Diversity-Management ist der strategische und zukunftsorientierte Ansatz hierfür. //
Kernaussagen
Diversity-Management bietet Ansätze und Instrumente dafür,
• …die Unternehmenskultur und den eigenen Marktauftritt so zu verändern, dass sich vielfältige Talente angesprochen fühlen
•…Rekrutierungs- und Arbeitsprozesse auf unbewusste Diskriminierung hin zu überprüfen
•…Talente systematisch zu entwickeln und dabei ihre individuellen Merkmale und Lebensumstände wertzuschätzen sowie zu berücksichtigen und diese nicht als Hindernis zu betrachten
von Kerstin Tote und Betina Psyk