Digitalstrategie muss Unternehmensstrategie sein

Organisationstypologien zur Implementierung von digitalen Unternehmensstrategien

Die digitale Revolution hat seit einem guten Jahrzehnt das Leben in unserem Kulturkreis verändert. International erfolgreiche Unternehmen haben diesen Trend geschaffen und beschleunigt, viele andere Unternehmen haben dies erkannt und mittlerweile zum Teil ihrer Unternehmensstrategie gemacht. Einige befinden sich gerade dabei, ihre Strategien entsprechend neu auszurichten. Es bedarf hinsichtlich der richtigen Strategiebestimmung, aber auch bezüglich einer zielführenden Strategieimplementierung hoher Professionalität und sachbezogener Erfahrung, um die vielen vorhandenen Hürden erfolgreich und zeitgerecht zu meistern.

Digitalstrategie muss Unternehmensstrategie sein

Für die meisten Unternehmen ist bereits der erste Schritt, die Festlegung der passenden Digitalstrategie, eine große Herausforderung. Abhängig vom Produktportfolio, Marktumfeld und der eigenen Positionierung können unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Es gibt damit nicht „das“ Digitalkonzept passend für alle Unternehmen. Neben der langfristigen Zielsetzung muss es auch eine realistische Bewertung des Status quo hinsichtlich IT, Finanzen, Mitarbeitern, vorhandenen Know-hows und zeitlicher Ressourcen geben. In der Praxis nimmt man oftmals die folgenden zentralen Ziele wahr:

  • Aufbau neuer Geschäftsmodelle
  • Entwicklung digitaler Produkte
  • Ergänzung bestehender Produkte durch digitale Services
  • Digitalisierung von Prozessen in Verwaltung und Backoffice
  • Beschleunigung der Produktentwicklung
Organisationstypologien von digitalen Unternehmensstrategien
Organisationstypologien von digitalen Unternehmensstrategien

Abhängig von den gewählten Handlungsfeldern ist die erfolgreiche und nachhaltige Implementierung der Digitalstrategie eine noch größere Herausforderung. Bestehende Prozesse, eine inflexible IT, gewachsene Organisationsstrukturen, Hierarchie- und Silodenken stehen den Zielen meist im Weg. Um das erfolgreich aufzubrechen, bedarf es einer zentralen Transformationsmanagement-Einheit mit einer hierarchischen Anbindung an das Topmanagement. Deren Kernaufgaben umfassen die Planung, Koordination und Implementierung aller Digitalisierungsmaßnahmen gepaart mit einem kontinuierlichen Ergebniscontrolling.

Organisationstypologien von digitalen Unternehmensstrategien

Hans-Werner Feick
Hans-Werner Feick

Die Ziele der digitalen Transformation beeinflussen maßgeblich den Organisationsaufbau und das Zusammenarbeitsmodell – insbesondere an der Schnittstelle zwischen den Fachbereichen und der IT. In der Praxis haben sich hier im Wesentlichen drei Grund-Typologien bewährt: der integrative Ansatz, der disruptive sowie der hybride Ansatz.

Integrativ – maximale Integration in das vorhandene Kerngeschäft
Ein weit verbreiteter Weg, die digitale Transformation zu meistern, ist der Versuch einer maximalen Integration der Digitalisierungskonzepte in das vorhandene Kerngeschäft. Ziel dieser Strategie ist es, vorhandene Prozesse, Systeme und die gesamte Organisation mit seinen Mitarbeitern zu erfassen und ganzheitlich zu transformieren. Die Implementierung der Strategie verändert neben der Digitalisierung von betrieblichen Abläufen insbesondere die Arbeitsweisen und Kultur der Mitarbeiter und ist oftmals geprägt durch:

  • Cross-funktionale und transparente Zusammenarbeit anstatt Silos und Hierarchie
  • Iterative Fortschritte anstatt großer „Big-Bang“-Veränderungen
  • Agile Methoden und flexible Planung anstatt Top-down-Vorgaben

Diese ganzheitliche Transformation wird meist von Unternehmen verfolgt, die eine Ergänzung ihrer bestehenden Produkte um digitale Services, die Digitalisierung ihrer Verwaltungs- und Backoffice-Prozesse oder die Flexibilisierung und Beschleunigung ihrer IT anstreben.
Die Anforderungen an das Know-how der Mitarbeiter und die Kulturveränderung sind hierbei enorm, denn oftmals sind etablierte Organisationen nicht immer offen für digitale Neuerungen und agile Methoden zur Zusammenarbeit. Die Umsetzung erfordert Ausdauer und starkes Engagement der Führungskräfte, um ihre vorhandenen Mitarbeiter in das digitale Zeitalter zu führen.

Disruptiv – eigenständige digitale Organisation parallel zum Kerngeschäft
Ein anderer Weg ist der Aufbau einer gänzlich neuen digitalen Organisation parallel zum klassischen Kerngeschäft. Je nach Produktangebot und Kundenzielgruppe können sich Kannibalisierungseffekte zum klassischen Kerngeschäft einstellen, da Volumina bereits bestehender und etablierter Produkte des Kerngeschäftes angegriffen werden. Diesen Ansatz bezeichnen wir als disruptiv.
Dieser disruptive Organisationsansatz wird meist gewählt, wenn der Aufbau neuer Geschäftsmodelle und die schnelle Entwicklung digitaler Produkte zentrale Handlungsfelder der digitalen Transformation darstellen. In seiner extremen Ausprägung ist die eigenständige Digitalorganisation völlig autonom zum bisherigen Kerngeschäft und wird oft als Start-up aufgebaut und als klassisches Investment gemanagt.
Im Gegensatz zum integrativen Ansatz kann eine autonome digitale Organisation durch ein kleines, erfahrenes Kernteam schnell aufgebaut werden, ohne hierbei Rücksicht auf gewachsene Rahmenbedingungen und Strukturen eines etablierten Unternehmens nehmen zu müssen.

Hybrid – getrennte Bereiche mit zentraler Steuerung

Martin Tydecks
Martin Tydecks

Neben dem reinen integrativen und disruptiven Ansatz sprechen wir von Hybridmodellen, wenn Charakteristika beider Typologien vereint werden. Hierbei ist der Grad der Integration zwischen Kerngeschäfts- und Digitalorganisation initial festzulegen und kontinuierlich an Veränderungen und Weiterentwicklungen anzupassen.
Im Markt sehen wir organisatorisch getrennte Bereiche (Kerngeschäft und Digital) innerhalb einer Organisation unter zentraler Steuerung.
Kritische Erfolgsfaktoren sind hierbei die initiale Klärung und das kontinuierliche Management von:

  • Governance-Strukturen – Bestimmung des Grades der Autonomie unter einer zentralen Steuerung
  • Prozessualen und technischen Schnittstellen – gemeinsame oder getrennte Prozesse bzw. technische Umgebungen
  • Zusammenarbeit und Mitarbeiter – übergreifender Einsatz sowie cross-funktionale Zusammenarbeit oder eher Silos

Dieser Organisationsansatz kann abhängig vom Grad der gegenseitigen Integration sowohl den Aufbau neuer Geschäftsmodelle als auch die Aufwertung bestehender Produkte durch digitale Services sehr gut unterstützen.
Eine weitere positive Auswirkung ist der Veränderungsdruck, der durch einen digitalen und agilen Teilbereich auf die etablierte Organisation wirkt. Oftmals werden ineffiziente Prozesse radikal in Frage gestellt und pragmatisch optimiert – mit messbaren Effizienzgewinnen.

Welches Unternehmen hat es „am einfachsten“, die digitale Transformation zu meistern?
Unternehmen, die sich mit der digitalen Transformation auseinandersetzen, müssen bereit sein, die Komfortzone zu verlassen. Eine erfolgreiche Transformation ist ein harter Weg und für kein Unternehmen „einfach“. Nur mit kontinuierlichem Management sowie hoher Aufmerksamkeit und Entscheidungsfähigkeit kann eine Transformation zum Erfolg geführt werden.

Dabei ist es ratsam, agil vorzugehen und den Veränderungswillen permanent vorzuleben. Möglichst häufige Rückkopplungsprozesse und ein iteratives Vorgehen mit kurzen Zyklen machen Erfolge der digitalen Transformation für Führungskräfte sowie Mitarbeiter schnell erlebbar. Das hilft, ein digitales bzw. agiles Wertesystems in der Unternehmenskultur zu verankern. Je ausgeprägter dies erreicht wird, umso leichter wird das Unternehmen die digitale Transformation meistern können.

von Hans-Werner Feick
und Martin Tydecks


Der integrative Ansatz

Pro Contra
Ganzheitliche Steuerungsmöglichkeit Massiver Umbruch der bisherigen Arbeitsweisen
Geringe Veränderung der Organisation Fehlendes Know-how der Mitarbeiter
Mitarbeiter werden mitgenommen Hohe Anforderungen an Mitarbeiter und Kultur
Hoher Zeitaufwand und hohe Kosten
Gefahr der Lähmung des bestehenden Geschäftes

Der disruptive Ansatz

Pro Contra
Schnell implementierbar mit hoher Effizienz Etablieren von zwei Kulturen
Autonomie für neue Geschäftsmodelle Langfristig Re-Integration mit dem Kerngeschäft
Risikoarmer und kostengünstiger Aufbau Eventuelle Kannibalisierung des Kerngeschäftes
Gesunder Wettbewerb zur etablierten Organisation

Der hybride Ansatz

Pro Contra
Ganzheitliche Steuerung Fehlendes Know-how der Mitarbeiter
Gemeinsame Kultur und Identität Gefahr von Silos zwischen „alter“ und „neuer“ Welt
Gegenseitiges Lernen Hoher Zeitaufwand und hohe Kosten