Teil 4: Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0

Der technologische Fortschritt schafft mehr Freiräume, fordert mehr Eigenverantwortung und stellt Berufe auf den Prüfstand.

 

Das Schlagwort der Arbeitswelt 4.0 verweist auf den engen Zusammenhang zwischen technologischen, industriellen Fortschritten und deren Auswirkung auf den Arbeitsplatz. Mit der Dampfmaschine startete die industrielle Revolution. Textilien beispielsweise konnten jetzt in Masse produziert werden. Fabrikarbeitsplätze entstanden. Das Fließband der zweiten Revolutionswelle zerstückelte die Arbeit in Teilprozesse. Debatten von der Entfremdung – also der Zerstörung der natürlichen Beziehung des Menschen zu seiner Arbeit – begannen.
Die dritte industrielle Revolution begann etwa in den 70er-Jahren. Der lange unterschätzte Computer veränderte die Büroarbeit so sehr, dass er heute nicht mehr wegzudenken ist. Automaten in Fabriken verrichten jetzt einst menschliche Arbeiten mit nie dagewesener Präzision. Und nun?

 

Ein Mehr an Verantwortung

Einige der jetzt unter dem Begriff Arbeit 4.0 diskutierten Themenfelder sind schon seit Beginn der Industrialisierung (4.2) Bestandteil des arbeitsphilosophischen oder rechtlichen Diskurses, erhalten aber jetzt oft ganz neue Impulse.
Die ersten Arbeiterorganisationen des 19. Jahrhunderts beispielsweise traten schon für mehr Mitbestimmung ein. Dass aber ein von Grund auf demokratisches Unternehmen nicht nur funktioniert, sondern auch viele Vorteile ermöglicht, wird erst in unserer Zeit verstärkt diskutiert (4.3, 4.4, 4.5).
Wer schon nicht den eigenen Chef wählen kann, der kann jetzt zumindest immer öfter selbstbestimmter bezüglich Arbeitszeit und -ort agieren. Das Arbeiten in der Cloud entkoppelt uns vom physikalischen Arbeitsplatz. Neue Vergütungsmodelle entstehen, die sich an der Leistung und nicht an der an einem bestimmten Ort verbrachten Zeit orientieren (4.6).
Mit Zeitwertkonten können sich Mitarbeiter einen flexiblen Puffer erarbeiten und dadurch Sabbaticals, längere Elternzeiten oder einen früheren Ruhestand verdienen (4.7). Doch die neuen Techniken bergen auch Gefahren. Das Speichern sensibler Informationen in der Cloud erfordert hohe Standards, auch in Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz (4.17).
Die Trennung von festen Arbeitszeiten geht oft einher mit ständiger Erreichbarkeit. Die Unterscheidung von Beruf und Familie, Arbeit und Privatem, fällt schwerer und das Ideal einer Work-Life-Balance gerät ins Wanken (4.8). Psychische Belastungen spielen daher im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) eine zunehmende Rolle. Ebenso muss typischen Büroleiden präventiv mit den richtigen ergonomischen Möbeln und Eingabegeräten begegnet werden (4.9). Außerdem sollten Mitarbeiter motiviert werden, ihre eigene Gesundheit zu erhalten. (4.11) Trotz BGM sollten Vorkehrungen getroffen werden, um sich selbst und seine Familie für den Verlust der Arbeitskraft abzusichern. Gleiches gilt für den Ruhestand. Hier ist jeder selbst in der Verantwortung, sich mit den Möglichkeiten der privaten und den Irrungen und Wirrungen der betrieblichen Altersvorsorge auseinanderzusetzen (4.12).

 

Immer-weiter-Bildung

Nichts ist beständiger als der Wandel. Der von Heraklit entlehnte Marketingslogan der Evolutionstheorie erreicht in unserer Zeit völlig neue Dimensionen (4.10). Die Geschwindigkeit, mit der neue Technologien Einfluss auf unser Leben und unsere Arbeit nehmen, erhöht sich zusehends. Allerdings haben wir nicht Generationen Zeit, um uns an die sich verändernden Verhältnisse anzupassen.
Der Evolutionskatalysator heißt Weiterbildung. Diese wird in Zukunft aus genannten Gründen unerlässlich und kommt in einer Vielzahl an Formen daher, die motivieren, statt zu ermüden (4.13, 4.14, 4.15, 4.16). Die immense Bedeutung erkannte auch unlängst der Gesetzgeber, ein Recht auf Weiterbildung soll Fakten schaffen.
Wem also keine Weiterbildung angeboten wird, der sollte diese im eigenen Interesse einfordern. Schon in der Vergangenheit sind durch den technologischen Fortschritt diverse Berufe ausgestorben und neue entstanden. Der digitale Wandel wird diesen Prozess fortsetzen. „Survival of the fittest“, das Überleben der Anpas­sungsfähigsten, gilt auch in der Arbeitswelt (4.18). //

 


Das Kapitel im Überblick

Mensch und Arbeitswelt 4.0
Unternehmensbürger?
Gemeinsam erfolgreich
Mehr Wertschöpfung durch agile Zusammenarbeit
Arbeitswelt: Flexibel, aber selbstbestimmt
Zeitwertkonten
Work-Life-Balance als individuelle Zielsetzung
Betriebliche Gesundheit und ihr Management
Veränderungsfähigkeit als Unternehmenshaltung
Anreizmodell für ein gesünderes Leben
Absicherung der Arbeitskraft
Kompetenzorientierte Personalentwicklung
Corporate-Learning-Platform
Co-Learning-Space: gemeinsam zu besseren Ergebnissen
Blended-Learning, MOOC und Game-based Learning
Implementierung der EU-Datenschutz-Grundverordnung
Der „Chief Digital Officer“