Arbeitswelt: Flexibel, aber selbstbestimmt

Wie Unternehmen Mitarbeiter vor permanenter Überforderung schützen, berichtet Dr. Consuela Utsch im Gespräch mit der TREND-REPORT-Redaktion.

Der digitale Wandel fordert viel von Unternehmen und Mitarbeitern. Flexibleres und vor allem selbstbestimmteres Arbeiten entwickelt sich immer mehr zu einem Muss in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft. Welche Vor- und Nachteile die Digitalisierung für Unternehmen mit sich bringt und wie Manager das Potenzial ausschöpfen können, erläutert Dr. Consuela Utsch, Geschäftsführerin der Acuroc GmbH sowie AQRO GmbH und Expertin für Human-Resource-Management.

 

Ist die Digitalisierung der Turbolader für den deutschen Mittelstand?

Die zunehmende Digitalisierung hat große Auswirkungen auf die Unternehmenslandschaft und verändert die Art, wie gearbeitet und gelebt wird, nachhaltig. So verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben immer mehr, was die Notwendigkeit von flexibleren Arbeitszeiten und wandlungsfähigem sowie selbstbestimmtem Arbeiten unterstreicht.
Ein einheitliches Konzept für alle Branchen ist aber nicht umsetzbar, weil die Unterschiede und Anforderungen der jeweiligen Unternehmen zu groß sind. Ausgangslage, Ziele und Bedürfnisse erfordern eine individuelle Betrachtung, zugeschnitten auf den jeweiligen Betrieb, um so auch die für das Unternehmen beste Lösung zu generieren. Bei konsequenter Umsetzung können Unternehmen erheblich von der Digitalisierung profitieren.

Wie viel Potenzial könnte denn der Mittelstand für sich verbuchen, würde er die Digitalisierung konsequent einleiten und mitgestalten?

Das digitale Zeitalter birgt viele Chancen für Unternehmen, ihre bisherigen Arbeitsprozesse zu überarbeiten. Damit lässt sich nicht nur die Produktivität und Qualität verbessern, sondern auch erheblich Zeit und somit Geld einsparen. Neben den Optimierungen der Prozesse bringt die Digitalisierung auch neue Kommunikationsmöglichkeiten mit sich. Gerade bei den immer wichtiger werdenden virtuellen Teams spielen diese eine große Rolle. Nutzen Führungskräfte die aufkommenden Chancen und Möglichkeiten, können sie sich besser auf einem immer größer werdenden Markt gegen Wettbewerber durchsetzen.

Auf welche Herausforderungen treffen Sie dabei regelmäßig?

Der Arbeitsalltag ist geprägt von zahlreichen Unterbrechungen wie Anrufen, dem parallelen Sichten von E-Mails, der Ansprache durch Kollegen und gleichzeitigem Verfassen von Texten. Diese Ablenkungen lassen keinen echten Arbeitsfluss entstehen, was zu Unkonzentriertheit, abfallenden Leistungskurven und verminderter Qualität führt. Auch das Arbeiten im Großraumbüro verstärkt die Problematik. Hier gilt es für die Managementebenen einzugreifen und mit dem wachsenden Grad der Digitalisierung die Störungen zu minimieren.

Flexibleres, fokussiertes und vor allem selbstbestimmtes Arbeiten entwickelt sich immer mehr zu einem Muss in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft.

Sie haben zum achten Mal in Folge den Top-Consultant-Preis gewonnen. Was machen Sie anders?

Im Vordergrund steht der enge Kontakt mit den Kunden, um so eine erfolgreiche individuelle Beratung zu gewährleisten. Dabei liegt der Fokus stets auf der Einbindung der Mitarbeiter und des mittleren Managements in alle Veränderungsprozesse, denn ohne diese kann ein Unternehmen die Digitalisierung nicht erfolgreich umsetzen. Auch die Nachhaltigkeit von Veränderungen hat eine hohe Bedeutung.
Diese konsequent ins Unternehmen zu integrieren und auch im Alltag zu leben, sollte immer das vorrangige Ziel sein. Dabei schätzen Kunden unsere Ehrlichkeit. Wir gehen lieber die geplanten Projekte Schritt für Schritt an, als die Beteiligten zu überfordern. Dass diese Vorgehensweise mit Auszeichnungen wie dem Top Consultant honoriert wird, freut uns sehr.

Wie nehmen Sie heute in diesem Kontext die Menschen mit? Welche Werte vermitteln Sie?

Bei allen Veränderungsprozessen in Unternehmen ist die Einbindung der Mitarbeiter der entscheidende Faktor für erfolgreiches, nachhaltiges Changemanagement. Ansprechende Arbeitsbedingungen sowie eine angenehme Arbeitsatmosphäre sollten demnach passend gestaltet sein.
Dazu zählt auch, den Mitarbeitern die Chance zu geben, auf Phasen der Leistungserbringung immer ausreichend Zeit für Erholung und Innovationen zu haben. Nur so bleiben Motivation, Qualität und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter dauerhaft erhalten. Die Unternehmensführung muss hier bereits im Vorfeld Maßnahmen ergreifen, um ihre Mitarbeiter bei den neuen Herausforderungen zu unterstützen und gleichzeitig Effektivität, Produktivität sowie Transparenz im Unternehmen zu generieren.

 

Damit die Digitalisierung gelebt werden kann, gilt es, vielfältige Anforderungen zu erfüllen und Voraussetzungen zu schaffen

Wie sieht in diesem Kontext modernes Human-Resource-Management aus?

Hier sind unterschiedliche Aspekte zu betrachten. Zum einen benötigen Unternehmen, sobald sie die Digitalisierung anstreben, neue Rollen. Vor allem ein „Chief Digital Officer“-Team wird immer wichtiger. Dieses verantwortet die strategische Transformation und koordiniert sowie forciert gleichzeitig die Vernetzung zwischen Fachbereichen und IT. Zusätzlich fungiert es als Motivator und treibt neue Geschäftsmodelle voran.
Zum anderen verändern sich mit der Digitalisierung auch die Fehler- und Führungskultur der Unternehmen. Führungskräfte sollten Fehler demnach nicht partout vermeiden wollen, sondern ihre Mitarbeiter ermutigen, auch mal etwas zu riskieren und Missgeschicke zu akzeptieren. Oftmals ergeben sich aus der anschließenden Analyse neue Chancen und Möglichkeiten sowie Verbesserungen.
Hier ist die neue Führungskultur gefragt, denn mit der Forderung an die Mitarbeiter muss das Management auf die veränderten Bedürfnisse der Belegschaft eingehen, wobei mehr Entscheidungsspielraum, Vertrauen und selbstständiges Arbeiten eine immer höhere Wichtigkeit einnehmen.

Welche Rolle spielen psychologische Zusammenhänge und wie implementiert man diese in ein Human-Resource-Management-System?

Für ein erfolgreiches Human-Resource-Management-System müssen Manager ihre Mitarbeiter nicht nur einbeziehen, sondern ihnen klare Rollen zuordnen. Diese Rollen zeichnen sich durch bestimmte Aktivitäten, Skill- und Persönlichkeitsanforderungen sowie Merkmale aus.
Diese Zuordnung ist vor allem bei der Zusammenstellung von Teams von Bedeutung. Häufig kommen jedoch nicht nur ein Verhaltenstyp, sondern zwei oder gar drei infrage. Durch die unterschiedlichen Perspektiven der Mitarbeiter und die sich ergänzenden Verhaltenstypen, die in den Teams zusammenkommen, verbessert sich die Qualität der Arbeit und das Risiko, Fehler zu machen, wird verringert. Ergebnisse bedürfen zwar unter Umständen mehr Zeit, die Endergebnisse sind jedoch durchdachter und qualitativ hochwertiger.

Erfolgreiches Human-Resource-Management muss den Mitarbeitern klare Handlungsräume und Rollen liefern, gleichzeitig aber auch flexibel und situativ anpassbar sein.

Welche Methodik haben Sie dafür entwickelt?

Wir haben die innovative Human-Resource-Management-Methode AQRO entwickelt, die als Steuerungsinstrument für rollenbasiertes Arbeiten fungiert. So erhalten Unternehmen mehr Flexibilität sowie mehr Selbstbestimmtheit. Zusätzlich ermöglicht der Ansatz eine Fokussierung auf klar definierte Rollen und realistische Ziele. Die Methode unterstützt die Arbeitsprozesse im Unternehmen, reduziert Blind- und Fehlleistungen merklich und ist weltweit patentiert.

Wie begleiten Sie Ihre Kunden beim Experimentieren?

Während der gesamten Zeit stehen wir dem Kunden beratend zur Seite. Wir legen dabei besonders großen Wert auf die Nachhaltigkeit der Umgestaltungen und eine hohe Akzeptanz bei Management und Mitarbeitern. Die Veränderungen im Unternehmen wirklich zu integrieren, umzusetzen und zu leben, erfordert vor allem ein gutes Veränderungsmanagement und Fingerspitzengefühl. Dabei liegt der Schwerpunkt stets auf der Implementierungsunterstützung aller Handlungsfelder der digitalen Transformation und der Elemente der IT-Governance.

 


Kernaussagen

Flexibleres, selbstbestimmtes Arbeiten in virtuellen Teams entwickelt sich zu einem Muss einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft. Folge davon sind permanentes Multitasking und damit Überforderung und Stress.

  Unternehmer müssen Mitarbeitern einen sicheren Handlungsrahmen geben, in dem Fokussierung und Konzentration möglich sind, denn dadurch wächst die Motivation der Mitarbeiter. Dies führt zwangsläufig zu höherer Qualität, Effektivität und Produktivität.


 

Mit welcher Einsparung der Arbeitszeit ist zu rechnen, wenn moderne Steuerungsinstrumente in der Abteilungsleitung genutzt werden?

Durch ständige Unterbrechungen wechseln die Mitarbeiter häufig zwischen verschiedenen Rollen hin und her. Jeder ungeplante Wechsel führt zwangsläufig zu Ineffektivität und gedanklicher Ermüdung. Legt das Unternehmen den Fokus der Organisation auf ungestörtes Arbeiten, schafft es so die Voraussetzungen für mehr Effizienz und Transparenz.
Dafür werden die Mitarbeiter bestimmten Rollen und Zeitfenstern zugeordnet. So ist für jeden Mitarbeiter auch eine entsprechende Priorisierung und Fokussierung der Aufgaben möglich und alle Beteiligten sehen, wann wer in welcher Rolle aktiv ist und wo noch mögliche Ressourcen sind.
Die transparente Rollenverteilung schafft die Möglichkeit für ungestörtes, fokussiertes Arbeiten und damit ein besseres und gesünderes Arbeitsklima. Nachweislich wird somit die Motivation der Mitarbeiter gesteigert und hierdurch auch die Qualität der Ergebnisse. Damit wird die Produktivität des Mitarbeiters im Durchschnitt um eineinhalb Stunden pro Tag erhöht und Unternehmen gewinnen pro Arbeitnehmer fast einen ganzen Arbeitstag pro Woche und das bei gleichzeitiger Stressminimierung bei den Mitarbeitern. Zeit, die dann für andere Aufgaben wie beispielsweise die Einbindung der Mitarbeiter in Innovationsprozesse und für die Weiterentwicklung neuer Ideen zur Verfügung steht.

Wie schaffen Sie Transparenz im Kontext von Mitarbeitern, die mehrere Rollen einnehmen, und welche Vorteile hat das Management davon?

Zu einer bestimmten Zeit hat jeder Mitarbeiter nur eine Rolle. Er kann zwar mehrere Rollen bekleiden, aber nicht zur gleichen Zeit und im gleichen Zeitfenster. Vorteil für das Management ist eindeutig die damit erreichte Konzentration des Mitarbeiters auf die jeweilige Rolle. Diese Fokussierung steigert sowohl die Produktivität als auch die Motivation und damit die Qualität der Ergebnisse.

Welche Vorteile bietet das Skill-Management für Mitarbeitende?

Durch das Management der Fähigkeiten der Mitarbeiter, sogenannter Skills, ist die Zusammensetzung von Teams effektiver. Teams profitieren von vielschichtigen Skills in Form von unterschiedlichen Sichtweisen, die alle Blickwinkel eines Projekts oder Prozesses beleuchten. Zudem kann der Mitarbeiter so an der richtigen Stelle im Unternehmen entsprechend seinen Kompetenzen und Fähigkeiten eingesetzt werden. Das ermöglicht zusätzlich eine passende Weiterentwicklung des Know-hows, was sowohl den Mitarbeiter als auch das Unternehmen voranbringt. //

 

 

Dr. Consuela Utsch