Nachhaltiges Personalmanagement als Zukunftskonzept

Nicht der kurzfristige Gewinn sollte im Mittelpunkt stehen, sondern zukunfts­fähige Investitionen in Humankapital und damit langfristiger Erfolg.

Globalisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel – dies sind nur einige der Veränderungen, die unsere sich schnell entwickelnde, zunehmend vernetzte Gesellschaft definieren. Wissensintensive Industrien wachsen und vor allem hier müssen Unternehmen vermehrt um die besten Köpfe kämpfen. Unternehmensziel bleibt in diesem Umfeld unverändert das der Wirtschaftlichkeit. Wie lassen sich diese beiden Pole, ökonomischer Erfolg auf der einen und das Ziel, langfristig die besten Talente für sich zu gewinnen, auf der anderen Seite, verbinden? Der Schlüssel ist ein Nachhaltiges Personalmanagement (NPM).

Auch NPM ist primär von wirtschaftlichen Faktoren getrieben; im Fokus stehen jedoch nicht Kostenoptimierung und kurzfristiger Gewinn, sondern langfristiger ökonomischer Erfolg und Zukunftsfähigkeit durch Investitionen in Humankapital. Unternehmen, die das Ziel verfehlen, Kompetenzen an sich zu binden, müssen entscheidende Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich nicht mit dem Unternehmen verbunden fühlen, liefern u. a. tendenziell schlechtere Qualität, sind weniger produktiv und können Teammitglieder negativ beeinflussen. Um solche Entwicklungen zu vermeiden, gibt es beispielsweise Unternehmen, die einen bestimmten Betrag als Prämie zahlen, wenn jemand nach der Probezeit geht. Im Umkehrschluss bleiben nur diejenigen, die wirklich engagiert sind. Doch wie erreicht ein Unternehmen, dass dies auf einen möglichst großen Teil seiner Beschäftigten zutrifft? Im Sinne eines NPM sind dabei eine entsprechend ausgerichtete Personalentwicklung, Mitarbeiterpartizipation und Feedbackkultur wichtige Elemente.

Letztlich schaffen Unternehmen, die im Sinne von nachhaltigem Personalmanagement handeln, eine entsprechende Reputation. Diese wiederum ist attraktiv für Beschäftigte, die Rekrutierung neuer Mitarbeiter und bietet einen Wettbewerbsvorteil.

Aufgrund der oben beschriebenen Tendenzen zeigt sich Personalentwicklung heute primär als Investition in Kompetenzen. Sie soll Beschäftigte dazu motivieren und befähigen, sich ständig weiterzuentwickeln. Damit hat das klassische Training, das primär auf Wissensvermittlung ausgerichtet war, ausgedient. Ebenso wenig passt die traditionelle Rolle des Vorgesetzten in dieses Bild. Die heutige Aufgabe der Führungskraft ist es vielmehr, Teams zu coachen. Sie sollte in der Lage sein, das „Best Self“ ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erkennen, also das individuelle Potenzial zu fördern und zu entwickeln.

Trainings zur Kompetenzerweiterung sollten für jeden verfügbar sein, und das über den Bereich des direkten Arbeitsgebietes hinaus, um möglichst übergreifende Fähigkeiten auszubilden. Für viele Unternehmen sind solche Investitionen in allgemeines Humankapital (Kompetenzen, die der Beschäftigte auch an anderer Stelle anwenden kann und die damit auch für andere Arbeitgeber von Nutzen wären) ein großer Schritt, da auf den ersten Blick kein direkter Nutzen erkennbar ist. Auch hier spielt jedoch eine langfristige Sichtweise die entscheidende Rolle, wie dieses Beispiel zeigt: Ein US-Unternehmen bezahlt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür, Urlaub zu machen. Die einzige Regel lautet, auch tatsächlich wegzufahren und keine mit der Arbeit zusammenhängenden E-Mails zu schreiben oder Anrufe zu tätigen. Dahinter liegt die Annahme, dass Beschäftigte erholt, motiviert und engagiert zurückkehren und die Investitionen sich somit auszahlen.

Gefragt nach Begriffen und Instrumenten, die im Zusammenhang mit NPM stehen, nannten Unternehmensvertreter in einer Studie(2) mit Abstand am häufigsten die Personalentwicklung. Quelle: Zaugg (2009); Abbildung AT Kearney
Gefragt nach Begriffen und Instrumenten, die im Zusammenhang mit NPM stehen, nannten Unternehmensvertreter in einer Studie(2) mit Abstand am häufigsten die Personalentwicklung. Quelle: Zaugg (2009); Abbildung AT Kearney

Handelt ein Unternehmen im Sinne eines NPM und trägt dies nach außen, baut es eine dementsprechend positive Reputation auf. Potenzielle Bewerberinnen und Bewerber erkennen die Möglichkeiten der Weiterentwicklung und Selbstverantwortung; das Unternehmen wirkt attraktiver und hat einen Wettbewerbsvorteil. Die Gefahr ist eine zu kurzfristige Betrachtung, die noch keine Effekte feststellen lässt. Bezogen auf die Investitionen gilt die Notwendigkeit des Durchhaltevermögens: Es dauert, bis eine entsprechende Reputation aufgebaut ist, und es muss kontinuierlich daran gearbeitet werden, sie zu halten.

Neben Personalentwicklungsmaßnahmen stellt auch Feedback eine Investition in Kompetenzen dar. In Wissenschaft und Praxis ist allgemein anerkannt, dass es in die Personalstrategie eingebunden sein muss und zu wenig Feedback die Fluktuation von Arbeitskräften im Unternehmen steigert. In nahezu jedem Unternehmen gibt es daher strukturierte Mitarbeitergespräche. Neben dieser Top-down-Form des Feedbacks nutzen allerdings deutlich weniger Unternehmen auch andere Formen, wie die Vorgesetztenbeurteilung oder Feedback innerhalb der Teams, sogenanntes „Upward- und Peer-Feedback“. Im Sinne einer 360-Grad-Beurteilung ist jedoch eine ganzheitliche Betrachtung essenziell, wie ein internationales Beispiel zeigt. Zweimal jährlich wird die Performance aller Beschäftigten im Detail bewertet. Das daraus resultierende Feedback birgt keine Überraschungen, da es die Summe der Feedbacks darstellt, die es im vorherigen Performancezeitraum kontinuierlich gab. Vor (Ausgangspunkt ist immer eine klare Zielsetzung), während und nach Abschluss jedes Projekts gibt es sowohl mündliches als auch schriftliches Feedback. Außerdem kann jeder über eine mobile App den Kolleginnen und Kollegen just in time Feed-back geben. Regelmäßiges Upward-Feedback garantiert, dass auch die Teamleiter daran gemessen werden, wie engaged ihr Team ist.

Aus dem Beispiel geht hervor, dass es wie bei Trainings auch bei Feedback nicht um die optimale Rollenerfüllung, sondern primär um Kompetenzentwicklung geht. Vor allem informelle Rückmeldung auf einer alltäglichen Basis motiviert und schafft ein Vertrauensverhältnis. Implementiert als Routine empfinden Teams nicht, dass Feedback an negative Konsequenzen gebunden, sondern ein freier, ehrlicher, regelmäßiger Austausch ist. Eine Feedback-freundliche Kultur, in der Feedback als wichtig und förderlich akzeptiert und auch negative Rückmeldungen konstruktiv angenommen werden, entsteht.

Bringen Organisationen ihren Beschäftigten Wertschätzung in Form von Partizipationsmöglichkeiten entgegen, werden sie das umgekehrt wertschätzen und ihre Leistungsbereitschaft steigern. Vorstellbar sind z. B. Teamarbeit, Projekte und (Social-Media-)Plattformen zum internen Austausch. Eine weitere Möglichkeit ist die Delegation von Entscheidungsfreiräumen, d. h. Entscheidungen werden dort getroffen, wo das Wissen und nicht die disziplinarische Macht sitzt. In einem global tätigen Technologieunternehmen wird Selbstverantwortung gefördert, indem die Führungskraft ihr Team befähigt und berät, ohne sich um Details zu kümmern. Sie gibt eine klare Vision vor, um daraufhin mit den Teammitgliedern gemeinsam eine Strategie zu entwickeln. Selbst an der Entwicklung beteiligt, werden sie die Ziele viel eher annehmen und langfristig Verantwortung übernehmen, sie umzusetzen. Dem bekannten Google-Beispiel folgend gibt es immer mehr Unternehmen, die ihren Mitarbeitern beispielsweise die Freiheit gewähren, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Arbeitszeit für eigene Projekte aufzuwenden, und so gleichzeitig die Innovationsfähigkeit insgesamt fördern. Weitere Beispiele zeigen, dass Teams zum Teil selbst entscheiden dürfen, wer an welchem Training teilnehmen kann, wie Budgets für Weiterbildung genutzt werden oder wie Gehaltserhö-hungen ausfallen. Dieser Raum für Selbstverantwortung ist nur möglich, wenn sie wie eben beschrieben entwickelt wird.

Sich stetig und schnell ändernde Bedingungen erfordern lebenslanges Lernen, um Kompetenzen auf- und auszubauen und Wissen ständig zu entwickeln und weiterzuentwickeln. Hieraus entsteht die Notwendigkeit für NPM. Entsprechende Konzepte in der Personalentwicklung, der Feedbackkultur und Partizipation führen dazu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur bessere, effektivere Arbeit leisten können, sondern auch motivierter sind und sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren.

Die Konzepte hängen eng zusammen und müssen in eine ganzheitliche Personal- und damit insgesamt in die Unternehmensstrategie, aber auch in die Betrachtung der Unternehmenskultur eingebunden sein. Teams, die stetig weiterentwickelt werden, verfügen über notwendige Kompetenzen. Jedoch müssen sie zusätzlich regelmäßiges Feedback erhalten, um zu wissen, welche Ziele sie verfolgen. Zuletzt brauchen sie Möglichkeiten, sich einzubringen. Nur wenn alle Faktoren im Sinne des NPM eingesetzt werden, entwickeln Unternehmen engagierte Teams, die sie langfristig erfolgreich weiterbringen.

Letztlich schaffen Unternehmen, die im Sinne von NPM handeln, eine entsprechende Reputation. Diese wiederum ist attraktiv für Beschäftigte, die Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bietet einen Wettbewerbsvorteil, vorausgesetzt die Maßnahmen sind nicht auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet, sondern stellen langfristige Investitionen in das Humankapital dar.

von Mirja Telzerow

 

 

Quellen

(1) Hatch und Dyer (2004)
(2) Zaugg: (2009) (Abbildung: A.T. Kearney)
(3) Miles und Snow (1995)
(4) Ulrich et al. (2009)
(5) Entrepreneur (2016)
(6) z.B. Mayfield and Mayfield (2012)
(7) Mayfield and Mayfield (2012)
(8) Zaugg/Blum/Thom (2001)
(9) Human Resources Today (Juli 2017)
(10) Rhokeun Park (2015)
(11) HR Pioneers best practice (2015)
(12) HR Pioneers best practice (2015)
(13) Abbildung: A.T. Kearney
(14) App/Merk/Büttgen (2012)