Gemeinsam erfolgreich

Herzlich willkommen in der Rolle einer Führungskraft!

 

Hurra! Der erste Schritt auf der Karriereleiter ist gemacht. Ab morgen bist Du Teamleiter. Endlich! Lange hast Du darauf hingearbeitet. Du hast auf Freizeit verzichtet und Freunde vernachlässigt, aber das war es Dir wert.

Deine Aufgabe: drei Teams zu einem zusammenzulegen.

Montagmorgen. Ab jetzt schauen 25 Mitarbeiter auf Dich. Sie bearbeiten Aufgaben, von denen Du noch nichts gehört hast. Schon das erste Teammeeting zeigt, dass es doch nicht so einfach wird, wie Du gedacht hast. Deine neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind es gewohnt, dass man ihnen sagt, was zu tun ist. Somit ist ab jetzt Dein Tag ausgefüllt mit Meetings und dem Managen Deines Teams. Die eigenen Aufgaben machst Du, nachdem Dein Team nach Hause gegangen ist.

Irgendwie hast Du Dir das anders vorgestellt. Fragt sich nur, wie?

Die freien Minuten der nächsten Wochen verbringst Du mit Internetrecherche und dem Wälzen von Fachliteratur. Wie hat das Wirtschaftsleben angefangen? Was weißt Du noch aus Deinem Studium und Deiner Ausbildung?
Am Anfang standen Manufakturen mit einem Meister an der Spitze. Dessen Ziel war es, sein Wissen nicht für sich zu behalten, sondern seine Erfahrungen an seine Gesellen weiterzugeben. Verbunden mit der Idee und dem Ziel, die Gesellen zur Meisterschaft zu führen und so gemeinsam erfolgreich zu sein. Dieser Gedanke gefällt Dir und lässt dich nicht mehr los. Das Ziel einer Organisation sollte es sein, Erfahrungen und Wissen zu teilen und weiterzugeben.

Doch wie ging es weiter?

Der nächste große Schritt war die industrielle Revolution und mit ihr die Einführung von Fließbandarbeit. Die Arbeit wurde in kleinteilige Aufgaben zerlegt. Immer effizienter wurden immer mehr Produkte für den Markt produziert. Das Denken dieser Zeit verdeutlicht die Henry Ford zugeschriebene Aussage, jeder Kunde könne ein Auto in der Farbe seiner Wahl bekommen – solange die Farbe schwarz sei. Sie bezog sich auf das in Fließbandarbeit produzierte „Modell T“. Zu dieser Zeit befassten sich die ersten Wissenschaftler und Unternehmensberater intensiv mit der Arbeitswissenschaft.
Einer von ihnen, Frederick Winslow Taylor, veröffentlichte 1911 seine Erfahrungen und Schlussfolgerungen in dem Buch „Die Grundsätze der wissenschaftlichen Betriebsführung“.

Die wichtigsten Kernpunkte sind:

Es gibt „one best way“. Folglich braucht es eine detaillierte Vorgabe der Arbeitsmethode und eine genaue Fixierung des Leistungsortes sowie des Leistungszeitpunktes.

•  Einführung einer „Einwegkommunikation“ mit festgelegten und eng eingeschränkten Inhalten

•  Einführung von detaillierten Zielvorgaben für jeden Einzelnen ohne direkt erkennbaren Zusammenhang mit den Unternehmenszielen

•  Einführung von externen Kontrollen, zum Beispiel Qualitätskontrollen

So sieht die Arbeitswelt Anfang des 20. Jahrhunderts aus. Arbeiten und Denken wird getrennt. Das Teilen von Erfahrungen und Wissen wird durch Top-down-Einwegkommunikation unterbunden. Nein, das kann nicht Dein Weg sein. So willst und kannst Du nicht arbeiten. Damit steht für Dich fest, dass Frederick Winslow Taylor Dir nicht die Antworten liefert, welche Du Dir gewünscht hast. Deine Suche geht weiter.

In einem Beitrag liest Du über die „Theorie X und Theorie Y“. Geprägt wurden diese Theorien Anfang der 70er-Jahre von Douglas Murray McGregor. McGregor war Professor für Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Eines seiner Forschungsthemen war die Mitarbeiter-Dynamik in Unternehmen. Genau genommen befassen sich beide Theorien mit dem natürlichen Verhältnis von Menschen zu ihrer Arbeitsleistung. Theorie X geht davon aus, dass der Mensch eine angeborene Abneigung gegen Arbeit hat und versucht, ihr aus dem Wege zu gehen. Deshalb muss er gezwungen, gelenkt, geführt und mit Strafe bedroht werden, damit er einen produktiven Beitrag leistet, was bedeutet, dass der Manager jeden Handlungsschritt detailliert vorgeben und energisch anleiten sowie konsequent und streng kontrollieren muss.

 

Der Treiber der intrinsischen Motivation ist das zutiefst menschliche Bedürfnis, unser Leben selbst zu bestimmen, zu lernen, Neues zu erschaffen und damit unsere Lebensqualität zu verbessern.

 

Theorie Y beschreibt dagegen ein anderes Menschenbild. Für diesen Menschen hat die Arbeit einen hohen Stellenwert. Sie ist wichtige Quelle für Zufriedenheit. Von Natur aus ist der Mensch leistungsbereit und von innen motiviert. Motive wie die Befriedigung der Ich-Bedürfnisse und das Streben nach Selbstverwirklichung stehen im Mittelpunkt.

So viel zu den Theorien. Wie siehst Du die Menschen in Deinem Umfeld und wie siehst Du Dich selbst? Klar, dass für Dich Theorie Y zutrifft. Aber wie siehst Du Deine neuen Mitarbeiter? Gibt es wirklich Menschen, die eindeutig der Theorie X zugeordnet werden können? Für Dich steht schnell die Antwort fest: Nein.

Was für eine schöne Vorstellung, dass alle Menschen von innen (intrinsisch) motiviert sind.
So langsam wird Dein Bild klarer. Und eine neue Frage formiert sich: Was ist Motivation und wie kann ich sie unterstützen?
Daniel H. Pink ist in „Drive – was Sie wirklich motiviert“ dieser Frage nachgegangen. Um es gleich vorwegzunehmen: Es sind nicht die äußeren Anreize wie Geld und Prestige, aber auch nicht Zuckerbrot und Peitsche. Der Treiber der intrinsischen Motivation ist das zutiefst menschliche Bedürfnis, unser Leben selbst zu bestimmen, zu lernen, Neues zu erschaffen und damit unsere Lebensqualität zu verbessern.
Ziel muss es also sein, in der täglichen Arbeitswelt einen Raum für diese „Motivatoren“ zu schaffen. Du bist nun fest davon überzeugt, dass Du etwas ändern möchtest. Natürlich ist Dir bewusst, dass Du nicht alles umwerfen kannst. Du arbeitest schließlich in einem Konzern, der seine Vorgaben hat. Du musst dem Geschäftsführer regelmäßig berichten, und es ist in diesem System sinnvoll, Dich nach allen Seiten abzusichern.

Montagmorgen. Deine letzte Nacht war ein wenig unruhig. Ab heute möchtest Du etwas ändern. Deine Mitarbeiter sollen Stück für Stück mehr Verantwortung übernehmen.
Deine Vision: Aus dem Team wird eine „Manufaktur“, bei der sich für jede Aufgabe Meister herausbilden.

Die erste Chance des Tages bietet sich gleich am Morgen: Eine Mitarbeiterin fragt Dich nach einer Problemlösung. Du kennst die Thematik und hast gleich eine Lösung im Kopf. Das wäre jetzt der schnelle Weg. Die Lösung aber lautet, diesem ersten Impuls zu widerstehen. „Was ist denn Dein Lösungsvorschlag?“, hörst Du Dich Deine Mitarbeiterin fragen. Sie schaut erstaunt drein. Das ist sie wohl nicht gewohnt. Etwas unsicher verlässt sie das Büro mit dem Auftrag, verschiedene Lösungen zu skizzieren. Zwei Stunden später ist sie zurück mit zwei Lösungsvorschlägen im Gepäck. Sie stellt kurz Variante A und Variante B vor. Du hast zwar eine klare Präferenz, fragst aber nach ihrer. Sie schlägt Variante A vor und Du stimmst ihr zu. Die Mitarbeiterin strahlt Dich an. Den Glanz in ihren Augen wirst Du so schnell nicht mehr vergessen. Der erste kleine Schritt ist getan. Es lohnt sich, diesen Weg weiterzugehen.

Nach vielen kleinen und manchmal etwas größeren Schritten bist Du mit Deinem Team richtig gut zusammengewachsen. Es haben sich erste Meister herausgebildet, die von den Kollegen wie selbstverständlich um Rat gefragt werden. Die Kommunikation innerhalb des Teams ist wertschätzend und auf Augenhöhe. Die Erfolge bleiben nicht aus, und trotzdem ist es eine Insel im großen Ganzen des Konzerns.

Dann kommt der Tag der Nagelprobe. Der Geschäftsführer bittet Dich zum Gespräch. Einem Kollegen ist ein Irrtum unterlaufen, und der betroffene Kunde hat sich energisch an oberster Stelle beschwert. Es folgt die Frage, die in Unternehmen viel zu oft gestellt wird: „Wer in Deinem Team ist schuld?“ Aber wie viel Sinn macht diese Frage? Lernt die Organisation daraus irgendetwas? Nein, deshalb ist die einzige sinnvolle Antwort die Erläuterung, was die Organisation aus dem Fehler des Kollegen gelernt hat.

 

Lernt die Organisation aus der Frage nach dem ‚Wer ist schuld?‘. Nein.

 

So oder ähnlich haben viele angefangen. Es müssen nicht die großen Schritte sein, vor denen man gern zurückschreckt. Auch die kleinen Schritte haben eine Wirkung. Das Ziel ist es, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Wie unterschiedlich dieses Ziel umgesetzt werden kann, dafür gibt es viele Beispiele. Es gibt keine Standardlösung. Jede Organisation muss ihren eigenen Weg finden.

Mit freier Gehaltswahl Unternehmergeist und Motivation fördern

In der Regel besteht das Entlohnungssystem in einem Beratungsunternehmen aus zwei Komponenten: Grundgehalt plus individueller Bonus. Der Bonus wird nach verschiedenen Kriterien festgelegt, zu denen Beratertage, individuelle Ziele, Qualifikation und Kundenzufriedenheit zählen können.

Selbstverständlich bemüht man sich im Laufe der Jahre, diese Kriterien immer weiter zu verbessern, wobei es passieren kann, dass man ungewollt ein System entwickelt, das keiner mehr so richtig versteht. Also was tun? Ein erster Schritt kann die Abschaffung von Bonusvereinbarungen sein. Ersatzweise kann das Grundgehalt angepasst oder die Mitarbeiter können am Unternehmenserfolg direkt beteiligt werden. Es gibt Unternehmen, die noch einen Schritt weitergehen. Hier bestimmen die Mitarbeiter ihr Gehalt selber. Klingt ein wenig verrückt, funktioniert aber. Eine Grundvoraussetzung, um diesen Weg zu gehen, ist Offenheit und Transparenz. Die Mitarbeiter müssen die Möglichkeit haben, alle Unternehmenszahlen und letztendlich auch die Gehälter der Kollegen einzusehen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass besonders der letzte Punkt für Verwirrung sorgt. In Deutschland ist das Gehalt vielerorts ein Geheimnis, und der Arbeitsvertrag verbietet vielen, über ihr Gehalt zu sprechen. Warum eigentlich? Zurück zu unserem Beispiel: Ein weiteres Ziel, das mit der freien Gehaltswahl verfolgt wird, ist, dass jeder Mitarbeiter wie ein Unternehmer denkt und handelt.
Daraus ergeben sich auch die Fragen, die sich der Mitarbeiter bei seiner Gehaltsentscheidung beantworten muss:

•  Was leiste ich für das Unternehmen?
•  Was leiste ich im Vergleich zu meinen Kollegen?
•  Was ist mein Marktwert?

Um ein besseres Verständnis und eine gute (Ein-)Bindung im Team herzustellen, hilft die Einführung eines Konsultationsprinzips. Das bedeutet, dass ein Mitarbeiter, der sein Gehalt verändern möchte, vorher mit mindestens zwei anderen aus seinem Team spricht und deren Rat und Meinung einholt.

 

Jeder Mitarbeiter entscheidet frei für sich selbst, welches Gehalt er für sich für angemessen, sinnvoll und nachhaltig hält.

In der Regel geben die konsultierten Kollegen jede Menge zu bedenken. Im Fokus steht dabei Eigeninteresse, und eng verbunden damit das Interesse am Fortbestand der Firma. Kein Mitarbeiter möchte, dass das Wohl der gesamten Firma von Einzelnen geschädigt wird. Das sorgt nicht zuletzt dafür, dass ein Mitarbeiter gute Gründe benötigt, um sein Gehalt auch gegenüber den Kollegen zu rechtfertigen. Und trotzdem haben in diesem Fall die konsultierten Mitarbeiter kein Vetorecht. Nach der Konsultation entscheidet jeder Mitarbeiter frei für sich selbst, welches Gehalt er für sich für angemessen, sinnvoll und nachhaltig hält.

 


Kernaussagen

Mit kleinen Schritten fängt jede große Veränderung an
•  Für jeden Menschen hat die Arbeit einen hohen Stellenwert. Sie ist wichtige Quelle für Zufriedenheit.
  Es gibt keine angeborene Abneigung gegen Arbeit. Folglich ist jeder intrinsisch motiviert.
  Eine Schuldfrage führt nie zum Ziel
  Eine freie Gehaltswahl unterstützt die Bindung an das Team und das Unternehmen. Sie fördert unternehmerisches Denken.
•  Ein großes „Wir“ führt zum Erfolg


Erfolgreich mit einem großen „Wir“

Wenn man gemeinsam erfolgreich sein möchte, kann man auch die Frage stellen, wie groß das „Wir“ ist. Wer sind die Akteure, die einen Beitrag zum Erfolg leisten? In der Regel hört diese Fragestellung spätestens beim Lieferanten auf. Oft wird wie selbstverständlich versucht, den Preis zu drücken, so weit es geht. Jeder eingesparte Cent erhöht schließlich die eigene Marge. Auch hier kann man einen anderen erfolgreichen Weg gehen.

Der Getränkehersteller Premium Cola liefert hier ein ungewöhnliches Beispiel. Neben den Mitarbeitern und Gesellschaftern umfasst das „Wir“ dort alle „Stakeholder“, das heißt, alle Lieferanten, Produzenten, Spediteure, Groß- und Einzelhändler sowie Kunden. Aus Sicht der klassischen Betriebswirtschaftslehre macht Premium Cola fast alles falsch. Dennoch wächst das Unternehmen stetig, und das mit zum Teil zweistelligen Raten. Über die Jahre hat es sein eigenes Betriebs- und Wertesystem entwickelt. Verträge und Vereinbarung werden per Handschlag eingegangen, es wird die Abnahme von geringen Mengen mit Rabatten unterstützt und auf Gewinn bewusst verzichtet. Der klassische Betriebswirtschaftler kann über solch eine unorthodoxe Vorgehensweise nur noch den Kopf schütteln.

Alle Entscheidungen werden gemeinsam mit den Stakeholdern getroffen. Die Aufnahmehürden für die „community“ sind dabei absichtlich sehr niedrig gewählt. In diesem speziellen Fall: Jeder Neuzugang muss jemanden aus dem Premium-Kollektiv kennen, und er muss eine Cola getrunken haben, um ein Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht zu erwerben.

Kann das gut gehen?

Die Abstimmungen werden in der Regel online durchgeführt. Um das „Wir-Gefühl“ zu stärken, trifft sich die Gemeinschaft in regelmäßigen Abständen zu sogenannten Offlinetreffen. Um zu einer Entscheidung zu gelangen, die von allen getragen wird, haben sich die Beteiligten für die Konsensdemokratie entschieden. Ein Entscheidungsverfahren, welches vor allem im afrikanischen Raum verbreitet ist. Hierbei wird so lange diskutiert, bis alle Beteiligten sich entweder einig sind oder einer Lösung zustimmen, mit der sie leben können. Letztendlich darf keiner der Beteiligten mit einem auch noch so gut begründeten Veto gegen die Lösung stimmen.
Ja, zugegeben, so einfach ist das nicht. Es braucht für die Konsensdemokratie eine wohlwollende Diskussionskultur.

Diese ist von folgenden Punkten geprägt:
Die Fähigkeit aller Beteiligten, nicht nur ihren Bedarf zu verhandeln, sondern jedem beispielsweise seinen fairen Anteil zu gönnen
Immer an der Sache zu diskutieren und niemanden persönlich anzugreifen, Kompetenzen anzuerkennen, auch die eigene, und dennoch nie der Versuchung zu erliegen, Dinge selbst zu entscheiden

Alle diese Punkte verlangen Übung, sind aber erlernbar.

Gemeinsam erfolgreich – was ist wichtig?

In erster Linie ist es wichtig, den ersten Schritt zu gehen. Das gilt für den Firmenlenker, die Führungskraft – aber auch für jeden Mitarbeiter. In vielen Fällen hilft die Frage: „Wie möchte ich, dass mit mir in dieser Situation umgegangen wird?“
Unternehmen, die auf Augenhöhe arbeiten und damit gemeinsam erfolgreich sind, haben aus meiner Sicht einige Gemeinsamkeiten:

Der Mensch steht im Mittelpunkt und vor dem Produkt
Offenheit
Vertrauen
Fehlerkultur – bis dahin, dass Fehler gefeiert werden

 

Sei mutig, mach den ersten Schritt und erlebe – wie ich – den Glanz in den Augen Deiner Mitmenschen.

 

von Sven Franke